Die fünf unbekannten Muster von Perfektionismus

von | 08. Jan. 2023 | Allgemein

Was Perfektionismus im Allgemeinen ist, damit haben wir uns bereits in vergangenen Artikeln beschäftigt. Doch wie zeigt sich Perfektionismus im Alltag? Was steckt unter der Oberfläche von Streben nach Vollkommenheit und Fehlerlosigkeit? Schaue unter die Oberfläche und lerne die fünf Muster von Perfektionismus kennen. Prüfe, ob auch Du davon betroffen bist …

Perfektionismus Muster

Perfektionismus – ein Eisberg

Die oberflächliche Bedeutung von Perfektionismus kennen wohl die meisten. Betrachtet man Perfektionismus wie einen Eisberg, dann ist die Oberfläche das “Streben nach Vollkommenheit und Fehlerlosigkeit”. Es ist das, was wir kennen und sehen, wenn wir an Perfektionisten denken. Persönlichkeiten, die sich hohe Ziele setzen, große Erfolge anstreben und generell hohe Maßstäbe verfolgen. Das sind offensichtliche Muster.

Doch was steckt unter der Oberfläche des Eisbergs. Was ist verborgen? Welche Muster gehören noch zum Perfektionismus, die wir nicht direkt als solche einordnen würden?

Diese unbekannten, auf den ersten Blick nicht direkt dem Perfektionismus zuordbaren Muster sind Aufschieben, Überforderung, Angst vor Kritik, Alles-oder-nichts Mindset und negativer Stress. Perfektionismus und seine dahinterliegende Angst, nicht gut genug zu sein / nicht liebenswert zu sein ist maßgeblicher Auslöser dieser Muster.

Schauen wir uns die einzelnen Muster genauer an.

Aufschieben (oder auch: die Angst zu versagen)

Aufschieben – wer kennt es nicht. Ob Aufgaben an der Arbeit, im Haushalt oder wichtige Entscheidungen. Manchmal schieben wir Themen lange vor uns her, anstatt sie direkt zu erledigen. Menschen mit perfektionistischen Tendenzen sind besonders davon betroffen, Dinge aufzuschieben. Doch woran liegt das?

Das Aufschieben ist eines der fünf unbekannten perfektionistischen Muster, da es tiefer liegende Gründe hat als ein reines nicht erledigen aufgrund von Unlust. Aufschieben kommt bei Perfektionisten oft vor, aus Angst zu versagen. Diese Angst kann unbewusst dazu führen, dass Perfektionisten Aufgaben vorzeitig abbrechen, sie lange aufschieben oder gar nicht erst damit beginnen.

Auch Entscheidungen werden oft aufgeschoben oder nicht getroffen. Das liegt daran, dass Entscheidungen mit Unsicherheiten verbunden sind. Perfektionisten haben das Ziel, ihre Aufgaben und auch Entscheidungen “perfekt” zu erledigen bzw. zu treffen. Besteht Unsicherheit, weil für eine Entscheidung z.B. noch nicht ausreichend Informationen vorliegen, wird diese hinausgezögert oder gar nicht erst getroffen.

Ein weiterer Grund, warum Perfektionisten Aufgaben, Entscheidungen und andere Themen aufschieben, ist ihr erfolgsabhängiger Selbstwert. Menschen mit perfektionistischen Tendenzen haben oft eine gering ausgeprägte Selbstakzeptanz und einen instabilen Selbstwert. Dieser instabile Selbstwert ist abhängig von Erfolgen und Anerkennung anderer.

Was passiert nun, wenn Perfektionisten eine Aufgabe nicht ihren Maßstäben entsprechend erfüllen oder gar Kritik erfahren? Sie zahlen einen hohen Preis, denn es erfolgt eine Selbstabwertung. Aufgaben aufzuschieben, erscheint dadurch oft weniger riskant, als das Risiko einzugehen, keinen Erfolg und Anerkennung zu erfahren.

Überforderung (oder auch: fehlende Struktur, Planung & Priorisierung)

Das Gefühl von Überforderung oder auch Ohnmacht ist ein weiteres unbekanntes Muster von Perfektionismus. Überforderung entsteht aufgrund der hohen Maßstäbe, hohen Ziele und der Angst, diese nicht zu erreichen. Damit hängt Überforderung auch mit dem zuvor beschriebenen Muster des Aufschiebens zusammen. Denn durch das Aufschiebeverhalten vergrößert sich der Berg zu erledigender Aufgaben immer weiter. So lange, bis das Gefühl der Überforderung eintritt.

Entgegen der allgemeinen Annahme, dass Perfektionisten strukturiert und planvoll vorgehen, trifft dies auf viele nicht zu. Unstrukturiertheit, Planungslosigkeit und fehlende Priorisierung verstärkt die Überforderung.

Oft werden unwichtige, einfache Aufgaben zuerst erledigt, da diese meist sehr erfolgsversprechend sind und damit dem Perfektionisten Sicherheit geben. Wichtige, anspruchsvolle Aufgaben werden gerne nach hinten priorisiert, denn hier ist die Gefahr groß, nicht die gesetzten Maßstäbe zu erreichen.

Ein solches Vorgehen kann dazu führen, dass Perfektionisten mit simplen To-Do Listen nicht die gewünschten Erfolge erzielen, die sie sich für ihr Business, Beruf oder Privatleben erhoffen. Hier ist eine auf sie angepasste Planung und Priorisierung wichtig, damit Perfektionisten in die Umsetzung ihrer Aufgaben kommen, einen klaren Blick erhalten und damit das Gefühl von Überforderung verringern.

Angst vor Kritik (oder auch: bloß nicht authentisch zeigen)

Die Angst vor Kritik und Verurteilung ist ebenfalls ein perfektionistisches Muster. Grund dafür ist vor allem der stark ausgeprägte bedingte oder erfolgsabhängige Selbstwert von Perfektionisten.

Doch was ist Selbstwert eigentlich genau? Laut verschiedener Studien setzt sich der Selbstwert aus drei Komponenten zusammen: (1) Selbstakzeptanz, (2) bedingter Selbstwert und (2) Selbstvertrauen. Insbesondere die ersten beiden Komponenten haben einen starken Einfluss auf den Selbstwert (Spitzer 2015; Koivula et al. 2002).

Bedingter Selbstwert beschreibt den Selbstwert, den man glaubt aufgrund von bestimmten Handlungen, Erfolgen, etc. zu verdienen. Perfektionisten machen damit ihren eigenen Wert, ihr “Ich” von ihren Handlungen und äußerer Anerkennung abhängig. Sie sehen sich insbesondere dann als wertvoll an, wenn sie Erfolge erzielen oder Anerkennung von anderen erhalten.

Damit zusammen hängt die Angst vor Kritik und auch die Angst, sich authentisch zu zeigen. Denn Kritik verringert den Selbstwert von Perfektionisten. Sie zeigen sich von ihrer besten Seite und nehmen dafür in Kauf, sich zu verstellen, die eigene Persönlichkeit zu verstecken. So minimieren sie die Gefahr vor Verurteilung.

Dies kann im beruflichen Kontext hinderliche Folgen haben. Wer sich versteckt oder nicht authentisch zeigt aus Angst vor Kritik, wird eventuell nie sein volles Potenzial leben und die Erfolge erzielen, die er sich wünscht.

(Persönlicher Einblick: Ihr glaubt gar nicht, wie lange ich mich vor meiner eigenen Website oder gar einem Social Media Profil gedrückt habe. Es war für mich eine wichtige Erfahrung, mich mit meinen Glaubenssätzen und meinem Selbstwert auseinanderzusetzen, um dieses Muster abzulegen).

Alles-oder-nichts Mindset (oder auch: wenig Freude über Erfolge)

Ein typisches Denkmuster von Personen mit perfektionistischen Tendenzen ist die Alles-oder-Nichts Einstellung oder anders genannt Schwarz-Weiß-Denken. Bei Handlungen gibt es häufig nur zwei Ergebnisse: Erfolg oder Misserfolg. Erfolg wird dabei oft nur dann als solcher angesehen, wenn die hohen, selbst auferlegten Maßstäbe erreicht werden. Ein Verfehlen der Maßstäbe wird direkt als Misserfolg bewertet.

Das Alles-oder-Nichts Mindset führt dazu, dass sehr gute Leistungen und Teilerfolge nicht also solche wertgeschätzt werden. Das Erzielen von 90 von 100 Punkten wird als Misserfolg bewertet, das Belegen des dritten Platzes in den Schwimmmeisterschaften ebenso. Beide Beispiele beschreiben Erfolge, auf die Menschen ohne Alles-oder-Nichts Mindset stolz sind. Für einen Perfektionisten mit Schwarz-Weiß-Denken sind es Misserfolge, denn es war noch Luft nach oben.

Insbesondere der Umgang mit Misserfolgen ist ein Anzeichen dafür, ob unsere perfektionistischen Tendenzen positiv oder negativ sind. Wird bei Misserfolgen überwiegend Unzufriedenheit, Schuld, Scham oder Angst empfunden, ist das hinderlich und blockierend. Werden gute Leistungen oder gar überdurchschnittliche Leistungen nicht wahrgenommen, weil immer noch mehr zu erreichen ist, sprechen wir von hinderlichem oder negativem Perfektionismus.

Das Einteilen von Erfolgen in Alles oder Nichts, führt dazu, dass die eigene Leistung nicht wertgeschätzt wird. Es führt zu Druck, einem getrieben sein von immer höheren Maßstäben und ständigem Ist-Soll-Vergleich.

Negativer Stress (oder auch: Überlastung, aber bloß keine Pause)

Das fünfte Muster von Perfektionismus ist negativer Stress oder auch Überlastung. Ein ständiges Streben nach Erfolgen bzw. Vermeiden von Misserfolgen, um den erfolgsabhängigen Selbstwert aufrecht zu erhalten und die eigene Verletzlichkeit und Angst nicht liebenswert zu sein zu verbergen, ist anstrengend.

Oft geschieht das oben beschriebene unbewusst. Oft wissen Personen mit hinderlichen perfektionistischen Tendenzen nicht, dass diese ein Grund für die ständige Überlastung sein können. Dabei können die hohen Ansprüche, die eigene Arbeit perfekt zu machen und dafür Anerkennung zu erhalten sowie das tägliche Streben danach Erfolge zu erzielen, ein Auslöser von negativem Stress oder Burnout sein.

Was noch dazu kommt ist, dass Menschen mit perfektionistischen Tendenzen sich oft verbieten, Pausen zu machen. Pausen können als Zeichen von Schwäche und Misserfolg angesehen werden und sind erst erlaubt, wenn der gewünschte Erfolg eingetroffen ist. Damit entsteht ein vernichtendes Zusammenspiel aus immer mehr Arbeit, um die hohen Ansprüche zu erfüllen und ein Verzicht auf Pausen, was letztendlich in Überlastung endet.

Zusammenfassend: Perfektionismus hat viele Facetten und Muster

Die beschriebenen fünf Muster treten häufig bei Perfektionismus auf und werden dennoch in der allgemeinen Bedeutung und Erläuterung nicht immer erwähnt.

Sie sind eine Folge von unbewussten Ängsten und Glaubenssätzen (wie “ich bin nur liebenswert, wenn ich Erfolge erziele und Aufgaben perfekt erledige”) sowie einem bedingten Selbstwert.

Wenn Du Fragen hierzu hast oder Dich vielleicht an manchen Stellen wiedererkannt hast, dann schreibe mir gerne über das Kontaktformular oder buche ein kostenloses Erstgespräch.

Du möchtest mehr erfahren? Hier ist ein spannender TED-Vortrag von Brené Brown zum Thema Verletzlichkeit.

In diesem Vortrag geht es um Zugehörigkeit, der Angst nicht gut genug zu sein und wie wichtig es ist, daran zu glauben, dass wir liebenswert sind – auch ohne Leistung und Erfolge.

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